Was ist wichtiger? Essen oder Liebe?
Dieser plakativen, aber nicht uninteressanten Frage widmete sich der amerikanische Verhaltensforscher Harry Harlow. Natürlich hat er kein Experiment durchgeführt, in dem er Menschen entweder Liebe oder Nahrung vorenthalten hat. Aber so ähnlich…
In einem Experiment wurden Affenbabies von ihren Müttern getrennt (ich weiß, wie furchtbar das klingt) und als Ersatzmütter zwei Drahtaffen angeboten. Die eine Drahtmutter bekam ein affenähnliches Gesicht und eine flauschige Oberfläche, jedoch keine Milchflasche zum Säugen. Die andere Drahtmutter war… nunja… einfach aus Draht mit einer zusätzlichen Milchflasche, an der das Baby nuckeln konnte.
Das Ergebnis dieses Experiments war, dass das Affenbaby fast die gesamte Zeit über an der kuscheligen Mutter hing und nur zum Essen kurz auf die andere Drahtmutter kletterte.

Die Erkenntnisse dieses Experiments wurden auf andere, moralisch vertretbarere Weise an Menschen erprobt und ergaben das, was einem vielleicht schon vorher einleuchtend erschien: Babies brauchen Liebe. Sie wollen sie sogar mehr als Essen.
Im Erwachsenenalter ist das immer noch so. Der Forscher John Cacioppo fand heraus, dass Einsamkeit zu Depressionen, Schlaflosigkeit, Übergewicht und Diabetes führt. Im Gegensatz dazu macht uns die Verbundenheit mit Anderen glücklich.
Also müsste man ja nur nach Liebe suchen, um glücklich zu werden oder?
Das ist leider nicht ganz so einfach. Denn hier geht es, wie bei vielen anderen Dingen auch, um die Balance. Wer verzweifelt Liebe einfordert, erreicht nämlich genau das Gegenteil von dem, was er eigentlich möchte. Die bedürftige Suche nach Verbundenheit mit Anderen rührt von der eigenen Unsicherheit über Beziehungen her. Und sie ist leider keine attraktive Eigenschaft. Mit dieser bedürftigen Art schreckt man nämlich die meisten Menschen ab.

Der eine Grund ist, dass „needy“ Menschen zu leicht verfügbar scheinen. Der Mensch ist darauf programmiert, Dinge und auch Personen, die leicht verfügbar sind, als wertlos zu empfinden. Somit grenzen sie sich eher von solchen Menschen ab, was diese wiederum in ihrer Einsamkeit bestärkt – ein Teufelskreis.
Der andere Grund liegt in der eigenen Selbstwahrnehmung. Menschen, die sich verzweifelt um Verbundenheit bemühen, empfinden sich selbst als unvollständig und nicht ausreichend. Klar, dass das nicht hilfreich ist, sich insgesamt als glücklich zu bezeichnen.
Falls du dich gerade fragst, ob du selbst dazu tendierst, dich häufig einsam zu fühlen, obwohl du lieber tiefgründige Beziehungen zu Anderen wünschst, kannst du auf folgender Website einen Kurztest dazu durchführen:
https://www.happysmarts.com/
Für eine präzisere Analyse benötigt es selbstverständlich professionellere Unterstützung als einen Klicktest.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was man dagegen tun kann. Es gibt Strategien, die man anwenden kann, um aus dieser bedürftigen Rolle herauszutreten.
Eine Strategie besteht darin, Dankbarkeit auszudrücken. Menschen, die dazu neigen, ihren Mitmenschen Dankbarkeit entgegenzubringen, haben laut Untersuchungen ein reicheres Sozialleben. Das liegt unter Anderem daran, dass es als eine attraktive Eigenschaft empfunden wird und demnach zu stärkeren Freundschaften führt.
Eine andere Strategie besagt, dass man sich selbst mehr Mitgefühl erlauben soll. Wie im Blogbeitrag „In 3 Schritten zu mehr Eigenliebe“ erläutert, weckt Mitgefühl mit uns selbst die Erkenntnis, dass jeder Mensch Versagen erlebt. Auf diese Weise fühlt man sich anschließend auch verbundener mit Anderen.
Einer weiteren wichtigen Strategie werde ich einen eigenen Blogbeitrag widmen, um sie detaillierter darstellen zu können. Hoffentlich können die zwei oben beschriebenen schonmal ein wenig helfen.
Quellen:
Cacioppo, J., Patrick, W.H. (2011): Einsamkeit. Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt. Springer Spektrum. Berlin Heidelberg.
Harlow, H. F. (1958). The nature of love. American Psychologist, 13(12), 673–685.
Raghunathan, R. (2016) – If You’re So Smart, Why Aren’t You Happy? How to turn career success into life success, Vermilion, S. 79-92.
Bildquelle:
Affenexperiment von Harlow: https://media.gettyimages.com/photos/view-of-a-rhesus-macaque-monkey-in-an-experiment-about-surrogate-at-picture-id1074526308?s=594×594, Aufruf: 14.05.2021, 16:38 Uhr.