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Die Falle des Misstrauens

Ich neige an der Schwäche, immer zu wenig Bargeld mit mir mitzuführen. Das stört mich generell im Alltag nicht und führt vielleicht sogar dazu, dass ich weniger schnell unnützes Zeug kaufe. Manchmal nervt es aber doch, z.B. als ich einmal sehr lange unterwegs war und halb umgekommen bin vor Hunger. Der Veggy-Döner aus dem Laden um die Ecke ging mir solange nicht aus dem Kopf, bis ich ihn schließlich kaufen wollte – hätte ich nicht zu wenig Geld bei mir gehabt und zu wenig Zeit zum Geld abheben. Sehr reumütig bat ich den Verkäufer, ihm das Restgeld am nächsten Tag mitzubringen. Ohne mit der Wimper zu zucken, bereitete er das Essen zu. Mich hat das Vertrauen, das er einer wildfremden Hungrigen entgegengebracht hat, so sehr gerührt, dass ich am nächsten Tag nicht nur mit dem Restbetrag, sondern einem üppigen Trinkgeld zurückkam.

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Rückblickend betrachtet hat mir diese Situation viel mehr gebracht als einen vollen Magen. Die Anspannung, die ich beim Bezahlen fühlte, mündete nicht in einem schlechten Gewissen, sondern in Dankbarkeit und Glück. Das scheint einleuchtend, wenn man Forschungsergebnisse betrachtet, die zeigen, dass das allgemeine Vertrauen in Menschen einen der wichtigsten Faktoren für das Glücksempfinden eines Landes darstellt. Ohne das Vertrauen in andere können wir uns nicht entspannen. Und ohne Entspannung fällt es uns schwer, glücklich zu sein.

Dass das Gefühl von Vertrauen einen so großen Einfluss auf unser Glücksempfinden hat, liegt auch in seiner neurologischen Natur begründet. Beidseitiges Vertrauen löst nämlich das „Glückshormon“ Oxytozin frei. Dennoch haben wir Menschen eine Prädisposition, anderen eher zu misstrauen, da wir einen evolutionären Vorteil aus dieser Veranlagung ziehen konnten. Wir müssen also lernen, unser Höhlenmenschengehirn zu überwinden, da vor allem proaktives Vertrauen viele Vorteile für uns mit sich bringt.

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Wir bringen Menschen durch unseren Vertrauensvorschuss dazu, uns im Gegenzug auch zu vertrauen. Die Kaskade, die durch unser proaktives Vertrauen in Gang gesetzt wird, kann enorme Reichweiten annehmen. Wir merken uns leider negative Erlebnisse stärker, demnach auch den Missbrauch unseres Vertrauens. Forscher*innen fanden allerdings heraus, dass es fünf vertrauensvolle Handlungen benötigt, um eine betrügerische auszugleichen. Letztendlich müssen wir die Balance finden zwischen der Einstellung, jedem zu vertrauen und jedem zu misstrauen. Dieser Balancepunkt ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wir müssen lernen, klug zu vertrauen. Im nächsten Blogeintrag werden wir uns genau diesem Punkt widmen und Strategien kennen lernen, unser kluges Vertrauen zu stärken und damit auch ein Stück glücklicher zu werden.

Quelle: Raghunathan, R. (2016) – If You’re So Smart, Why Aren’t You Happy? How to turn career success into life success, Vermilion, S. 150-161.

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