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Frohes Schaffen!

Während meines Lehramtsstudiums hatte ich das Bedürfnis, mich nebenberuflich in jedem denkbaren Bereich auszutoben, ob Callcenter, Einzelhandel oder pädagogisch (mit Blick auf meine berufliche Zukunft). Einer dieser Jobs fand in einem LKW-Trailer statt, der mit finanzieller Unterstützung eines Pharmaunternehmens und unter der Leitung einer Berliner Universität zu einem mobilen Schülerlabor umfunktioniert wurde. Das Spannende an dem Job war, dass wir Mitarbeiter*innen uns die jeweiligen Projekte, die wir anschließend mit verschiedenen Klassen aus vielen Schulen in Berlin und Umgebung durchführten, selbst ausdenken konnten. Die Arbeit mit dem Schülerlabor war so erfolgreich, dass eine Promotionsstelle dazu geschaffen wurde. Da ich kurz vor dem Abschluss meines Studiums stand, reizte es mich, in diesem Bereich zu promovieren, bevor ich mein Referendariat antreten und endgültig die Lehrer*innenlaufbahn antreten würde. In meiner Masterarbeit bekam ich die Chance, ein neues Projekt für das Schülerlabor zu entwickeln, das ich, wie ich hoffte, anschließend umsetzen könnte. Sieben Monate bestand mein Alltag nur noch aus dem Projekt und der Aussicht auf die Promotionsstelle, bis sich im letzten Moment eine Kollegin ebenfalls um die Stelle bewarb und diese erhielt. 

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Auch wenn mir die Tätigkeit während der Masterarbeit gefiel, da ich ja Spaß an der Entwicklung des Projekts hatte und die Arbeit selbst auch sehr gut abschloss, überwog die Verbitterung über die nicht erhaltene Stelle, die ja der Zweck meiner vorherigen Arbeit war. Ich beschloss, das Kapitel Promotion und Berlin zu beenden und bewarb mich um eine Referendariatsstelle in Baden-Württemberg in der Nähe meiner Familie. Heute habe ich mein Referendariat erfolgreich abgeschlossen, eine verbeamtete Stelle als Lehrerin erhalten und meinen Ehemann gefunden, mit dem ich eine Familie gründe. 

So sehr mich die Enttäuschung über den negativen Outcome meiner Bemühungen damals in Berlin übermannte, so dankbar bin ich heute für genau diesen Outcome. Ich hätte zu dem Zeitpunkt niemals vorhersehen können, dass mich dieser Weg die Liebe meines Lebens finden lassen würde. 

Selbst wenn wir meinen, unsere unmittelbare Zukunft mit unseren Handlungen unter Kontrolle zu haben, müssen wir dennoch beachten, dass wir die Komplexität unserer Handlungen nie richtig abschätzen können. Ereignisse, die nur ein wenig weiter weg liegen, können durch bestimmte Kettenreaktionen ganz anders ausgehen, als wir sie erwarten. 

Das bringt uns zu der Empfehlung, den Outcome unserer Handlungen weniger intensiv als gut oder schlecht zu bewerten, da wir die langfristigen Konsequenzen unserer Handlungen nie kennen. Oder um es mit dem allgemeinen Sprichwort zu umschreiben: „Wenn sich eine Tür schließt, …“ 

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Sollen wir uns jetzt also gar nicht mehr auf unsere Ziele freuen, wenn wir sie ohnehin als gleichgültig bewerten sollen, um insgesamt glücklicher zu sein? Schließt die fehlende Freude nicht unser Glücksempfinden gerade aus? Die Sorge ist berechtigt, doch der Fokus der Frage liegt auf dem falschen Zeitpunkt. Menschen sind gerne beschäftigt – sinnvoll beschäftigt. Es ist allgemein erwiesen, dass uns eine von uns als sinnvoll empfundene Arbeit glücklicher macht als eine stupide Wiederholung der immer wieder gleichen Tätigkeiten. Der Mensch hat aber grundsätzlich das Bedürfnis, tätig zu sein. Daher erscheint es naheliegend, dass wir unseren Fokus nicht auf die Bewertung des Outcomes unserer Handlungen legen sollten, sondern auf den Prozess selbst.

Auf diese Weise erleben wir letztendlich weniger negative Gefühle und konzentrieren uns auf das Glücksgefühl während unserer Tätigkeit. Anstatt uns also zum Beispiel nur auf den nächsten Urlaub zu freuen, sollten wir schon versuchen, die Planung so spaßig wie möglich zu gestalten. Falls der Urlaub am Ende nicht stattfinden konnte (weil wieder mal eine Pandemie ausbricht), hatten wir rückblickend trotzdem Freude während der Planung.

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Wäre es aber nicht denkbar, dass unsere Motivation für ehrgeizige Ziele sinkt, nach denen wir sonst ursprünglich streben?

Der Denkfehler in dieser Sorge liegt darin, dass wir Auswirkungen unserer Planungen und Handlungen nicht bewerten sollten, nachdem sie passiert sind, sondern davor. Ist es zum Beispiel unser Ziel, unseren geliebten Seelenverwandten zu heiraten, fänden wir es absurd, wenn wir uns lediglich auf das Outcome ausruhen würden, dass wir die Ehe vollzogen haben und nun verheiratet sind. Eine Ehe ist kein Selbstzweck, sondern ein Zustand, bei dem man laufend tätig ist. Wir ziehen unsere Bedeutung und unser Glück aus dem Prozess des Verheiratetseins.

Wir können festhalten, dass wir grundsätzlich durchaus eine Präferenz für bestimmte Outcomes haben sollten. Wir sollten die Bewertung jedoch vor dem Erreichen des Ziels vornehmen und nicht erst, nachdem es erreicht wurde. Das ist tatsächlich eine schwierige, aber sehr glücks- und erfolgsversprechende Strategie, daher widmen wir uns ihrer auch im nächsten Blogbeitrag etwas ausführlicher. Bis dahin, frohes Schaffen!

Quellen: Raghunathan, R. (2016) – If You’re So Smart, Why Aren’t You Happy? How to turn career success into life success, Vermilion, S. 177-188.

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